Vorbildsituation und thematischer Kontext: Die fränkische Saaletalbahn

Mein Interessenschwerpunkt  sind der Bahnhof Bad Kissingen und die beiden dort endenden, jeweils eingleisigen Hauptbahnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das am Südrand der Rhön im Tal der fränkischen Saale gelegene Kissingen war zu dieser Zeit Treffpunkt zahlreicher gekrönter Häupter zu den "Kaiserkuren" (ein Vorläufer heutiger G7-Treffen, wenn man so will), somit quasi ein Zentrum der damaligen europäischen Diplomatie. So war die österreichische Kaiserin Sisi sieben mal zu Besuch, der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck gar 14 mal - um nur zwei zu nennen, die natürlich in ihren Salonwagen per Bahn anreisten.


Ein bisschen Verkehrsgeschichte

Kissingen wurde 1871 an das rasch wachsende Schienennetz der Königlich Bayerischen Staatsbahnen angeschlossen. Die neu zu trassierende Hauptstrecke Schweinfurt - Meiningen sollte zunächst direkt über Kissingen geführt werden, doch hätte die Kessellage der Stadt im Saaletal starke Steigungen notwendig gemacht. Daher entschied man sich gegen eine Trassierung durch das Saaletal und schloss Kissingen stattdessen über eine ca. 10km lange, eingleisige Stichstrecke in Ebenhausen an die höher gelegene Hauptstrecke an, welche mit dem Zusammenwachsen der Staatsbahnnetze Teil der seinerzeitigen Magistrale Berlin - Stuttgart werden sollte.

Das untere Saaletal hingegen wurde vom Bahnknoten Gemünden / Main aus zunächst bis Hammelburg über eine einfach trassierte und mit einfachsten Mitteln realisierte Lokalbahn 1884 erschlossen. Erst nach dem 1. Weltkrieg wurde die Strecke zur Hauptbahn ausgebaut, von Hammelburg nach Bad Kissingen verlängert und 1924 eröffnet. Die Strecke folgt von Gemünden kommend weitgehend dem Flussverlauf der Fränkischen Saale. Da aber der bereits seit 1871 bestehende Kissinger Bahnhof etwas oberhalb der Saale am (damaligen) Stadtrand liegt, verlässt die Strecke, um an Höhe zu gewinnen, wenige Kilometer vorher das Saaletal in einer engen Rechtskurve durch einen Einschnitt ins Seitental des Lollbaches, folgt diesem wenige hundert Meter, wird dann in einer Linkskurve über einen prächtigen Sandstein-Viadukt über den Lollbach hinweg geführt, und nähert sich dann in einem weiteren Einschnitt der steil von Ebenhausen herabführenden Strecke an, zu der sie dann parallel die letzten Kilometer bis in den Kissinger Bahnhof verläuft.


Streckenverlauf der Saaletalbahn oberhalb des Lollbachs bei Bad Kissingen, Blickrichtung Gemünden.

 

Streckenverlauf der Saaletalbahn oberhalb des Lollbachs bei Bad Kissingen, Blickrichtung Gemünden. Durch einen Geländeeinschnitt schwenkt die Trasse in einer Linkskurve ins Tal der fränkischen Saale ein.


Streckenverlauf der Saaletalbahn oberhalb des Lollbachs bei Bad Kissingen. Im Hintergrund verläuft die Strecke über den Arnshäuser Viadukt und durch einen Geländeeinschnitt ins Stadtgebiet von Kissingen. Nach links folgt die Strecke dem Lollbach in Richtung Saale.


Über den Arnshäuser Viadukt wird die Trasse der Saaletalbahn über den Lollbach hinweggeführt. Auf dem mächtigen Dammbauwerk im Hintergrund verläuft die Strecke von Kissingen nach Ebenhausen quer über das Lollbachtal.



Maschinendienst auf der Saaletalbahn

Die Geschichte der Saaletalbahn beginnt im Jahr 1884 mit der Eröffnung der als "Sekundärbahn" in einfachster Ausstattung gebauten Strecke Gemünden am Main - Hammelburg. Die Streckenhöchstgeschwindigkeit betrug 25 km/h - es muss recht beschaulich zugegangen sein in diesen Tagen. In Hammelburg richtete man eine Lokstation ein, die der Betriebswerkstätte Gemünden untergeordnet war. Hammelburg erhielt drei fabrikneue, 3-fach gekuppelte Lokalbahnlokomotiven der bayerischen Reihe D VII, die den gesamten Streckendienst abwickelten. Zur Grundausstattung gehörten ferner 3 Personen-Wagen 2./3. Klasse, 3 Personen-Wagen 3. Klasse, 3 Dienstwagen mit Postabteil, 3 Stückgutwagen sowie 12 "Steinwagen" für den Basalt-Transport des an der Strecke gelegenen Steinbruchs am Sodenberg.

Die erste Lokomotivtype im Saaletal: Die bayerische D VII (Modell Fuchs)


Bereits in den 1870er Jahren war die Strecke von Gemünden über Hammelburg hinaus bis nach Kissingen projektiert worden; der Weiterbau war aber wegen betriebswirtschaftlicher Bedenken mehrfach auf Eis gelegt worden, und so sollte es noch ein halbes Jahrhundert dauern, bis Züge durch das Saaletal schließlich Kissingen erreichten. Da die Strecke den Militärs zu Beginn des Ersten Weltkrieges strategisch bedeutsam erschien (Hammelburg war 1895 Garnisonsstadt geworden), wurde sie nun als Hauptbahn neu trassiert und bis Kissingen verlängert. Auch ein zweigleisiger Ausbau und eine Verlängerung über Kissingen hinaus nach Neustadt, wo die Strecke in die bestehende Hauptbahn Schweinfurt - Meinigen / Erfurt hätte einmünden sollen, wurden ins Auge gefasst. Die Kriegsgeschehnisse und die nachfolgenden wirtschaftlichen Nöte machten diese Pläne zunichte und verzögerten auch den Bahnbau bis Kissingen erheblich. Erst 1924 wurde die Strecke unter der Gruppenverwaltung Bayern der Deutschen Reichsbahn in Betrieb genommen.

Auf der neueröffneten Saaletalbahn dominierten Lokalbahnlokomotiven der bayerischen Reihen D XI (spätere BR 98.4-5) und D IX (spätere BR 70.71) nun den Betriebsdienst. Die D XI dürfte dabei eher für den Güterzugdienst, die eher schwache, aber schnelle D IX für Personenzüge zuständig gewesen sein. Leistungsfähigere Maschinen standen nicht zu Verfügung, und so erzielten selbst die Schnellzüge Reisegeschwindigkeiten von nur 36 km/h und brauchten für die Strecke von Kissingen nach Gemünden ca. 80 Minuten.

ab den 1890ern auf der Strecke: Die bayerische D XI (Modell Trix)


Im Saaletal für Personenzüge zuständig: Die bayerische D IX (Modell Fuchs)


Ab 1925 übernahmen schließlich die wesentlich leistungsfähigeren bayerischen D XII (spätere BR. 73.0-1) die Schnellzugdienste von der kleineren D IX. Mit der D XII bewältigten Schnellzüge die Strecke nun erstmals in deutlich weniger als 1 Stunde. Die Fahrzeiten sollten sich bis zum heutigen Tage nicht mehr wesentlich ändern, man nutzte die Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 km/h aus.

Schnellzüge wurden im Saaletal von der bayerischen D XII (Modell Trix) befördert, bis die Preußen kamen...


Da auch Personenzüge jetzt durchschnittliche Reisezeiten von nur noch 70 Minuten erreichten, können wir annehmen, dass die D XII mittlerweile die Mehrzahl aller Reisezugleistungen  erbracht haben dürften, aber auch preußische T 9.3 fanden sich zu dieser Zeit im Bestand des Bahnbetriebswerkes Gemünden und waren wahrscheinlich die ersten nicht-bayerischen Lokomotiven, die auf die Strecke kamen. 
1933 wurden im Bahnbetriebswerk Gemünden Dieseltriebwagen der Reihen VT 137 und VT 135 stationiert, die einen Großteil der Personenzugdienste nach Kissingen bewältigten.
1934 erhielt Gemünden schließlich die Baureihe 74; die auf der Berliner Stadtbahn freigewordenen, beschleunigungsstarken Maschinen ersetzten die zur Ausmusterung anstehenden D XII im Schnellzugdienst auf der Saaletalbahn.
Im Jahr 1935 erschienen die ersten Einheitstenderloks der Baureihe 64 beim Bahnbetriebswerk Gemünden. Sie sollten zur Saaletalbahn-Dampflok schlechthin werden und prägten zusammen mit den Verbrennungstriebwagen wesentlich das Betriebsgeschehen im Saaletal bis in die 60er Jahre hinein.

Obwohl als Hauptbahn betrieben, bleib der Verkehr im Saaletal aber zeitlebens nebenbahnähnlich. So waren die in den Fahrplänen ausgewiesenen Schnellzüge zumeist lediglich separat gefahrene Kurswagen-Zubringer nach Gemünden und Frankfurt / Main, für deren Beförderung die genannten Tenderloks völlig ausreichend waren. Dafür konnten sich die Kurswagenläufe, mit denen Kurgäste aus ganz Europa den Badeort Kissingen komfortabel erreichten, durchaus sehen lassen. So gab es Kurswagen von und nach Amsterdam, Zürich und Mailand, und sogar der berühmte Ostende-Wien-Express der CIWL führte für kurze Zeit einen Kurswagen nach Kissingen mit.
Durchgehende Güterzüge verkehrten auf der Saaletalbahn planmäßig wahrscheinlich nie. Jedoch dürften Militärtransporte von und nach Hammelburg sowie der Abtransport von Basalt und Holz aus der Rhön gelegentlich für Frachtaufkommen gesorgt haben, mit dem die normalerweise verkehrenden Lokalbahnloks überfordert gewesen sein dürften. Doppeltraktionen zweier D XI sind belegt, doch dürften vereinzelt auch Würzburger und Schweinfurter Schlepptendermaschinen der bayerischen Reihen C IV und später E I sowie preußische G 10 auf die Strecke gekommen sein.


Quellen:

  • Dill, J., Hornung, T.: Eisenbahn Gemünden - Bad Kissingen. H&L Publikationen - Souvenirs. Verlag Wolfgang Bleiweis. Schweinfurt, 1995
  • Hahn, E.: Bad Kissingen. Historische Postkarten 1900-1930. Rötter Druck und Verlag GmbH. Bad Neustadt/Saale, 1992
  • Häuser, T., Knopf, H.-J.: Vom Main nach Thüringen. Festschrift zur Wiedereröffnung der Strecke Schweinfurt - Meiningen. Eisenbahn-Journal special 5/91. Hermann Merker Verlag GmbH. Fürstenfeldbruck, 1991
  • Thielmann, G., Schmidt, M.: Von Schweinfurt nach Erfurt. EK-Reihe Regionale Verkehrsgeschichte: Bd. 27. EK-Verlag GmbH. Freiburg, 1999
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Ostende-Wien-Express, abgerufen am 02.04.2024