Ob ein Modell auf den Betrachter überzeugend wirken kann, hängt nicht nur von den handwerklichen Fähigkeiten und den verwendeten Materialien ab, sondern wird bereits bei der Planung, also der Organisation des Abstrahierens, entschieden.
Ich selbst bin immer bestrebt, möglichst nah am Vorbild - mithin auch maßstäblich - zu bleiben. Gleichwohl meine ich, dass die eine oder andere Verkürzung oder Verdichtung von gestaltenden Elementen schon zulässig und vielleicht sogar geboten erscheint, wenn ein Arrangement auch szenisch wirken und überzeugen soll. Ich bewundere die Kolleginnen und Kollegen, welche einen Bahnhof kompromisslos und quasi naturalistisch exakt in 1:87 umsetzen, habe aber auch schon solche Layouts gesehen, die mich ob ihrer schieren Weitläufigkeit gelangweilt haben. Ich meine, ein vorbildtreuer Eindruck entsteht noch nicht alleine durch ein perfekt verkleinertes Stück Realität, sondern wird noch durch die Wirkung gesteigert, die wir im Gehirn des Betrachters durch geschickte Inszenierung (etwa durch Überzeichnung, Verdichtung, Staffelung oder auch Weglassen von gestaltenden Elementen) erzeugen. Sehr hilfreiche Denkanstöße hierzu lieferte mir die britische Modellbau-Ikone John de Fraysinnet (s. u.).
Mit meinem Lollbachmodul-Arrangement bilde ich einen Ausschnitt der unterfränkischen Saaletalbahn nach, die 1924 zwischen Gemünden am Main und Bad Kissingen als eingleisige Hauptbahn in Betrieb genommen wurde und bis heute von der Erfurter Bahn für den Personennahverkehr genutzt wird. Die Trasse folgt von Gemünden flussaufwärts weitgehend dem Lauf der Fränkischen Saale. Wenige Kilometer vor der Endstation Bad Kissingen schwenkt die Bahn in das Nebental des Lollbachs ein, um sich dort der steil von Ebenhausen (Ufr.) herabführenden Strecke anzunähern, und verläuft dann zu dieser parallel die letzten Kilometer bis in den Kissinger Bahnhof.
Für das Abschätzen des Platzbedarfs, der Raumplanung und der Gleisradien und Gleislängen ist die digitale Landkarte OpenStreetMap sehr hilfreich - schließlich hat sich am Streckenverlauf bis heute nichts geändert. Da OpenStreetMap je nach Zoomfaktor den entsprechenden Maßstab mitliefert, lässt sich damit recht gut planen.
Hier lassen sich die S-Kurve im Streckenverlauf der Saaletalbahn beim Verlassen des Saaletals sowie die aus südöstlicher Richtung kommende Strecke aus Ebenhausen gut erkennen.
Natürlich nicht ersehen kann man hier die Topographie. Daher besorgte ich mir beim Bayerischen Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung einen passenden Ausschnitt der Digitalen Ortskarte (DOK) im Maßstab 1:5000. Das geht über die Internet-Präsenz der Behörde sehr einfach, und der gewünschte Kartenausschnitt steht für wenig Geld nach wenigen Minuten zum Download zu Verfügung.
Um mir zur besseren Vorstellung das Lollbachtal in 3D nach Hause zu holen, bastelte ich mir zunächst aus Graupappe ein (überhöhtes) Höhenlinienmodell.
Die Trassen der nach Kissingen führenden Strecken sind als schwarze Linien dargestellt. Die Strecke aus Gemünden (im Vordergrund) hat hier das Saaletal bereits verlassen und führt ansteigend der Strecke aus Ebenhausen entgegen. Bemerkenswert: Die (ein halbes Jahrhundert ältere) Strecke aus Ebenhausen wird über ein gigantisches Dammbauwerk über den Lollbach geführt und wirkt so fast wie ein Talabschluss, während die Gemündener Strecke über ein Viadukt unmittelbar vor dem Damm das Tal quert. Durch einen Einschnitt durch den Höhenzug der Eiringsburg führen beide Strecken parallel - nun hoch über der Saale - nach Kissingen.
Der konkrete Plan entstand am Rechner mit der Vektorzeichen-Software "TouchDraw"; diese gibt's nur für Mac, und kann in ihrem Funktionsumfang längst nicht mit den bekannten großen Grafik-Programmen mithalten; dafür kostet sie auch nur einen Bruchteil derer und ist für die Zeichnungserstellung eines Streckenmoduls völlig ausreichend. Ich ging hier eher pragmatisch vor: Ich lud mir besagte Ortskarte als Grundlage in der Zeichensoftware hoch und skalierte sie so lange, bis mir ein gangbarer Kompromiss aus Verkürzung und eben noch vertretbaren minimalen Gleisradien gefunden war. Das ist unglaublich praktisch, denn auf diese Weise bleibt das Vorbild als eigener Layer im erstellten Modulplan sichtbar.
Einzige Vorgabe war für mich eine Modultiefe von einheitlich 50cm bei mittig angeordnetem Trassenverlauf. Ich plante letztlich mit einer Verkürzung von ca. 1:120. Das ist von H0 natürlich weit weg, heißt aber nicht, dass H0-Garnituren auf H0-Gleisen durch eine TT-Landschaft rollen werden, denn dargestellt werden keine Gleisanlagen oder Gebäudeensembles; vielmehr wird eine weitläufige Landschaft umgesetzt, der ein bisschen Verkürzung in ihrer Wirkung auf den Betrachter keinen Abbruch tut; und ein resultierender sichtbarer minimaler Modellradius von 2000mm ist für mich ein gangbarer Kompromiss.
Gebogenes Modul, Gleismittenradius 2000mm, Winkel 30°, gebogene Längsteile vorne und hinten. Steigung 1:60.
Wie ein Modulkasten aus vorgefertigten Einzelteilen zusammengesetzt wird, lesen Sie hier.